Zur Zeit wächst ja noch der Elsevier-Boykott. Für eines meiner Fächer, die neuere deutsche Literaturwissenschaft, spielt dieser Verlag keine große Rolle. Da mich kaum jemand um Gutachten oder Mitwirkung in einem Herausgebergremium einer Zeitschrift von Elsevier fragen würde, habe ich die Boykotterklärung nicht unterzeichnet – das käme mir vor wie Größenwahn.
Doch Gründe für – wenn nicht Boykott, so doch – Zurückhaltung gibt es auch an anderen Baustellen. Unprofessionell arbeitende Redaktionen, die z.B. ohne Fahnenkorrektur drucken (mit teils katastrophalen Folgen, wenn etwa nicht die eingereichte Datei verwendet, sondern der ebenfalls gewünschte Ausdruck eingescannt und per OCR weiterverarbeitet wurde) oder wo man auf Nachfrage nach dem Schicksal eines bereits angenommenen Aufsatzes belehrt wird, ein Jahrbuch erscheine, wie der Name besage, einmal im Jahr, und dergleichen mehr können durchaus bei weniger gigantischen Verlagen als der Reed-Elsevier-Gruppe oder im Bereich der grauen Literatur für weitere graue Haare sorgen. Grausig war etwa neulich die Reaktion auf einen Vorschlag für einen Beitrag zu einem Sammelband, zu dem ein Call for Papers aufgerufen hatte: Da ich schon einen weitgehend fertigen und sehr gut passenden Beitrag anbieten konnte, erdreistete ich mich, den Beitrag statt eines Exposés mitzuschicken. Antwort: Die Entscheidung werde nur auf Grundlage eines Exposés getroffe, ich möge doch bitte eines nachreichen. Ja hallo: Wer will denn da etwas von wem? Da habe ich natürlich postwendend meinen Vorschlag zurückgezogen – und mir den Verlag, in dem der Sammelband erscheinen soll, einmal genauer angesehen. Eine professionell aussehende Webseite mit zahlreichen inhaltlichen Rubriken hat er schon, aber Verlagsprogramm, selbst Ankündigung von Neuerscheinungen fehlten. Alles nur leere Hülle. Offenbar befindet sich hier ein neuer Dissertationsverlag in Gründung, der mit einigen über Call for Papers zusammengesammelten Sammelbänden zusätzliches Profil gewinnen wollte. Mitherausgeber der beiden Bände, zu denen bislang mindestens aufgerufen wurde, ist – der Geschäftsführer des Verlags.
Kaum weniger erfreulich sind Zeitschriften, für die der Herausgeber händeringend Beiträge sucht (von Wettbewerb und Auslese keine Spur), aber nur am Druck (und eventuell dem zugrundeliegenden Druckkostenzuschuß) interessiert ist, nicht jedoch an der Verbreitung. In einem solchen Fall habe ich Ende des vergangenen Jahres eine Anfrage wie folgt beantwortet (hier anonymisiert):
„Sehr geehrter Herr […],
vielen Dank für Ihre Anfrage, deren Inhalt mich über Herrn […] auch schon erreicht hatte. Ich kann Ihnen leider nichts anbieten, da ich zur Zeit nichts Veröffentlichungsreifes habe und bis Mitte April auch nichts fertig werden wird. Aber auch sonst fällt es mir als Autor schwer, etwas für […] zu schreiben, da man es in Deutschland nur schwierig beziehen kann (und insbesondere ein Abonnementmodell für Mitglieder der […] nicht möglich war); in deutschen Bibliotheken ist […] kaum verfügbar, und als Autor möchte man ja auch gelesen werden können, nicht nur gedruckt werden. Eine Kooperation mit einem deutschen Verlag würde vielleicht gewährleisten, dass […] auch im deutschen Buchhandel zu bekommen wäre. Verzeihen Sie das offene Wort, das nur helfen soll, meine Zurückhaltung zu verstehen.“
(zuerst auf GooglePlus)