Als jemand, der nicht tanzt (es weder kann noch will), hat mich das Tanzverbot nie besonders berührt. Tatsächlich kannte ich es nur aus meiner Arbeit an der Tucholsky-Gesamtausgabe, da Tucholsky (unter seinem Pseudonym Theobald Tiger) am 3.10.1918 in der ‚Weltbühne‘ ein Gedicht „Tanzverbot“ publiziert hatte – anläßlich der Diskussion um das bereits kurz nach Kriegsausbruch verhängte, im Kriegsverlauf zunehmend verschärfte und mit Polizeiplakaten „Tanzen verboten“ auch öffentlich sichtbare umfassende Tanzverbot, unter dessen wirtschaftlichen Folgen Tanzlehrer und Saalbesitzer zu leiden hatten. Im September 1918 fand in Berlin eine Hauptversammlung der Delegierten des Bundes der Saal- und Konzertlokalinhaber Deutschlands statt, bei der auch das Tanzverbot thematisiert wurde (vgl. ‹Tagung der deutschen Saalbesitzer in Berlin›, in: Berliner Tageblatt, 18.9.1918, Abend-Ausg., ‹Das Tanzverbot›, in: Berliner Tageblatt, 19.9.1918, Morgen-Ausg. und ‹Die Tanzerlaubnisfrage›, in: Berliner Tageblatt, 20.9.1918, Morgen-Ausg.) Schon am 14.9.1918 hatte das Berliner Tageblatt in der Abendausgabe auch einen Artikel ‹Das Tanzverbot› gebracht.
Daß es ein Tanzverbot auch in Deutschland immer noch gibt, und zwar vorzugsweise an christlichen Feiertagen, geregelt im jeweiligen Recht der Länder, entnehme ich erst einem lesenswerten Artikel über den Anachronismus des Tanzverbots in der FAZ, von einer Gegnerin des Tanzverbots, die auch gute Gründe dafür anführt und darüber hinaus indirekt den Anachronismus der christlichen Feiertage entlarvt: „Unbestreitbar nimmt ein großer Teil der Bevölkerung die Feiertage nicht mehr primär als christliche Andachtstage, sondern eher als arbeitsfreie Zeit wahr.“ (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/tanzverbot-wann-wir-tanzen-ist-doch-unsere-sache-11709472.html) Natürlich gibt es zum Thema auch einen Wikipedia-Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Tanzverbot. Der war mir allerdings auch neu, denn während meiner Arbeit am Kommentar der Tucholsky-Texte 1914-1918 gab es die Wikipedia noch nicht (bzw. sie entstand während der letzten Phase der Arbeit und hatte dafür noch keine Relevanz).
(zuerst auf GooglePlus)